Prävention von Unterrichtsstörungen
Unterrichtsstörungen unterbrechen oft erheblich den Unterrichtsfluss und reduzieren die aktive Lernzeit der Schüler*innen. Doch bereits mit einfachen, schnellen Mitteln kannst du Unterrichtsstörungen vorbeugen, sodass diese gar nicht erst entstehen. Einige der Möglichkeiten sind hier zusammengefasst.
Am Ende des Beitrags haben wir dir ein Handout mit den wichtigsten Punkten hochgeladen. Vielleicht kannst du es ja gebrauchen.
Präventionsmaßnahmen nach Kategorien:
Die Lehrerpersönlichkeit ist nicht nur für ein positives Klassenklima, sondern auch für die Prävention von Unterrichtsstörungen sehr wichtig. Mit deiner Ausstrahlung und deinem Verhalten kannst du also auf die Kinder einwirken:
Selbstbewusstsein Die Kinder merken, wenn du unsicher und vorsichtig vor der Klasse stehst. Diese fehlende Autorität wird dann schnell von den Kindern ausgenutzt. Dass man aber als unerfahrene Lehrkraft oft unsicher ist, ist ganz normal. Du kannst dich und deinen Körper aber austricksen, indem du beispielsweise gerade vor der Klasse stehst und eine gute Körperhaltung hast. Schon allein dadurch wird sich deine Ausstrahlung und dein Gefühl ändern. Bleibe während des Unterrichtes nicht an einem Platz stehen, sondern bewege dich im Raum umher. Sei dir bewusst, dass du der Chef bist.
Spaß haben Trotzdem sollte dein Unterricht nicht ernst und starr sein. Du kannst ruhig zeigen, dass du auch mal lachen kannst und locker bist. Das ist gut für das Klassenklima und die Kinder lernen so gerne in deiner Klasse. Ein gutes Klassenklima, fühlen sich die Kinder wohl und die Unterrichtsstörungen reduzieren sich dadurch automatisch.
Positive Haltung Dieser Punkt ist mir speziell bei schwierigen Kindern aufgefallen, die häufig gestört haben. Wenn man als Lehrkraft eine positive Haltung gegenüber allen (!) Kindern hat, reduziert das sehr deutlich die Störungen, denn die Kinder fühlen sich gesehen, wertgeschätzt und ernst genommen. Überlege dir zu Hause in Ruhe, gegen welche Kinder du vielleicht unterbewusst oder bewusst Abneigungen hast (das ist übrigens normal! Man muss nicht jeden mögen!). Gibt es solche Kinder für dich, dann schreibe für jedes der Kinder mindestens 3 positive Eigenschaften auf, die du an dem Kind schätzt und halte dir diese Eigenschaften vor Augen, wenn du merkst, dass du gerade keine positive Haltung gegenüber dem Kind hast.
Diese positive Haltung heißt nicht, dass du Unterrichtsstörungen nicht ansprechen sollst, sondern hier geht es lediglich um Respekt und Wertschätzung. Manchmal dauert es ein wenig, bis die Kinder verstanden haben, dass du sie auch nach einigen Unterrichtsstörungen oder schlechten Noten immer noch wertschätzt und ihnen positiv begegnest. Aber du wirst sehen, die Veränderung wird groß sein.
Person und Verhalten trennen Dieses Prinzip ergänzt den gerade genannten Punkt der „positiven Haltung“. Zeige dem Kind, dass du es trotzdem als Person magst und wertschätzt, auch wenn es sich in deinem Unterricht nicht korrekt verhalten hat. Dies kannst du natürlich einerseits durch deine Einstellung zeigen, die dem Kind auch nach Unterrichtsstörungen immer noch zugewandt und positiv ist (s.o.). Ganz wichtig ist jedoch, dass du ein Kind, nachdem du es ermahnt hast, zeitnah lobst und ihm wieder genauso zugewandt bist wie zuvor. Kinder, die bereits ermahnt wurden, stören somit nicht noch weiter nach dem Motto: „Ist ja eh alles schon verloren“. Daher kannst du Störungen vorbeugen und Motivation anregen, indem du dieses Prinzip verfolgst.
Vorher Reaktionen überlegen Überlege dir ein Repertoire bestimmter Reaktionen auf Unterrichtsstörungen, die du einsetzen könntest. Das Wissen um mögliche Reaktionen gibt dir Sicherheit und Selbstbewusstsein. Damit wirst du wiederum von den Schüler*innen anders wahrgenommen und die Störungen treten gar nicht erst auf.
Konzentrationspausen Gerade in den unteren Klassen können sich Schüler*innen häufig nicht so lange konzentrieren. Du solltest ihnen also kleine „Konzentrationspausen“ gewähren. Durch diese Pausen beugst du auch Unterrichtsstörungen vor, die durch Überforderung und Konzentrationsprobleme auftreten können. Konzentrationspausen kannst du in Form von Bewegungspausen, Fantasiereisen, Liedern oder Ähnlichem gestalten.
Regeln Die meisten Lehrkräfte stellen zu Beginn des Schuljahres gemeinsam mit den Kindern Regeln auf. Diese sollten bestenfalls von den Kindern entwickelt und vor allem nachvollzogen und verstanden werden. Am besten formuliert ihr die Regeln positiv, also „Ich melde mich leise“ anstatt „Ich rufe nicht dazwischen“. Die Regeln können beispielsweise auf ein Plakat geschrieben werden. So können die Kinder unterschreiben und das Plakat kann sichtbar aufgehängt werden. So sind die Regeln für jedes Kind transparent und verständlich.
Regeln sind außerdem wichtig, damit die Kinder wissen, wo deine und ihre Grenzen sind. Erkläre deinen Schüler*innen genau was du von ihnen erwartest und warum du dies tust. Reagiere dann konsequent auf Verstöße gegen diese Regeln. Nur so kannst du Grenzen sichtbar und deutlich machen, sodass die Kinder sich an diese halten können.
Erwartungen deutlich machen Stell dir vor, du setzt einem Kind eine Grenze, indem du es ermahnst und z.B. ärgerlich seinen Namen sagst. Das Kind weiß zwar dann, dass es ermahnt wurde, kann jedoch hier nicht eindeutig feststellen was es falsch gemacht hat und was es besser machen könnte. Es kann sein, dass dieses Kind das störende Verhalten deshalb weiterhin zeigt. Hier solltest du also besser deine Erwartungen deutlich machen: „Ich erwarte von dir, dass du jetzt leise bist und am Unterricht teilnimmst“. Deine Erwartungen kannst du auch der gesamte Klasse am Anfang der Stunde mitteilen: „Ich erwarte von euch, dass ihr jetzt 20 Minuten konzentriert arbeitet. Danach gibt es eine kleine Bewegungspause“. So machst du deine Erwartungen transparent und die Kinder können sich ideal darauf einstellen.
Rituale und Routinen Auch feste Rituale und Routinen helfen den Kindern, sich im Schultag zu orientieren, da sie genau wissen, wie sie sich nun zu Verhalten haben und wie nicht. Rituale kannst du beispielsweise immer für den Schulanfang, die freie Lesezeit usw. einführen. Routinen können so etwas wie eine feste Sitzordnung beim Sitzkreis sein. Zum Beispiel kann hier auch bereits die Reihenfolgen in der die Kinder in den Sitzkreis gehen geübt und festgelegt werden. Dann gibt es bei der Aufforderung „Sitzkreis“ keine störenden Streitereien oder andere Störungen, weil die Kinder nicht wissen, wie sie sich jetzt verhalten sollen.
Hinter die Kulissen blicken Manchmal hängen Unterrichtsstörungen mit Problemen im familiären oder sozialen Umfeld der Kinder zusammen. Manche Kinder erhoffen sich, durch Störungen deine Aufmerksamkeit zu wecken. Um diese Art der Störungen vorzubeugen, solltest deine Schüler*innen im Blick behalten und so mögliche Probleme erkennen und ggf. nachfragen. Es gibt außerdem eine Vielfalt an Methoden, die du nutzen kannst, um Probleme zwischen deinen Schüler*innen zu beachten und zu lösen, z.B. durch Kummerkästen, Sorgenfresser o.ä.
Kennenlernen Sich gegenseitig kennenzulernen stärkt nicht nur das Schüler-Lehrer-Verhältnis, sondern auch die Beziehung deiner Schüler*innen untereinander und ist somit wieder positiv für das Klassenklima. Ziel ist, dass sich die Kinder in der Klasse wohlfühlen und dort gerne lernen. Ermögliche also deinen Schüler*innen am Schuljahresanfang sich gegenseitig und dich auch persönlich kennenzulernen und stärke die Klassengemeinschaft.
Positives Klassenklima Diesen Punkt habe ich bereits angesprochen. Es geht hier darum einen sicheren Raum für das Lernen und Zusammenleben der Schüler*innen zu schaffen. Die Kinder sollen sich absolut sicher fühlen, dass sie weder von der Lehrkraft, noch von den anderen Kindern Konsequenzen, wie z.B. Auslachen erwarten müssen, wenn sie einen Fehler machen. Das niemand ausgelacht werden darf, muss am Schulanfang direkt kommuniziert und auch konsequent durchgesetzt werden. Des Weiteren solltest du den Kindern helfen, ihre Streits zu schlichten, denn Streitereien können das Klassenklima negativ beeinflussen und Störungen hervorrufen. Wir nutzen hierzu immer die Friedensbrücke. Sie dient auch hier wieder dazu, hinter die Kulissen der Kinder zu blicken und jedes Kind wertzuschätzen und eben nicht sofort zu verurteilen.
Übersichtlichkeit Um eine Ablenkung der Schüler*innen vom Unterricht und damit eine Störung zu vermeiden, solltest du dein Klassenzimmer und deine Tafel strukturiert und übersichtlich gestalten. Das Klassenzimmer sollte also auf der Tafelseite nur die wichtigsten Infos enthalten. Auch auf der Tafel sollten möglichst nur Materialien hängen, die Gegenstand des aktuellen Unterrichts sind. Arbeitsmaterialien sind zwar schön anzuschauen, wenn sie bunt und verziert sind, beobachte jedoch genau, ob die Dekorationen die Kinder ablenken. Manchmal ist es besser, wenn Arbeitsblätter eher schlicht gehalten sind. So können sich die Kinder besser auf den Lerngegenstand konzentrieren und sind nicht abgelenkt.
Motivierende Stunden Eine der effektivsten Methoden, um Unterrichtsstörungen vorzubeugen ist die Durchführung motivierender Stunden. Motivierte Schüler*innen wollen gerne an deinem Unterricht teilnehmen und die Störungen reduzieren sich. Motivierend sind dabei vor allem Stunden, die das Interesse und die Neugier der Kinder wecken, also aus ihrer Lebenswelt stammen. Natürlich haben nicht alle Stunden einen direkten Lebensweltbezug. Du kannst jedoch versuchen, den Bezug zur Lebenswelt immer mal wieder herzustellen.
Dafür kannst du beispielsweise Stundeneinstiege motivierend gestalten (Beispiele für problemorientierte Einstiege findest du auch hier) und so einen Lebensweltbezug herstellen. Auch die Stunde an sich kann in eine kleine Geschichte oder Aufgabe eingebettet sein (Rechengeschichten, Lesespuren o.ä.), die die Kinder zum Lernen motiviert. Am Besten achtest du auf die Interessen der Kinder oder fragst danach und vielleicht kannst du diese ja kreativ in deinen Stunden berücksichtigen.
Das Wichtigste aber ist: Wenn du begeistert und motiviert bist, sind es deine Kinder auch! Begeisterung ist ansteckend!
Stundenplanung Präventiv wirkt auch eine gute und strukturierte Stundenplanung, die du auch im Kopf haben solltest. Nur, wenn du einen Plan von dem Ablauf der Stunde hast, kannst du strukturierten Unterricht halten. Die Struktur kannst du zudem noch transparent machen, indem du Tages- und Stundentransparenzen (=Ablauf des Tages/der Stunde) an die (Seiten-)Tafel hängst. Eine gut geplante und strukturierte Stunde beugt Störungen vor, da alles genau geplant und vorbereitet ist und somit für Kinder unklare Phasen oder kleine Pausen zwischen verschiedenen Phasen ausbleiben. Die „Zeit“ für Unterrichtsstörungen und Unterbrechungen aufgrund von Unklarheiten, Unverständnis oder Langeweile fehlt hier also.
Präsenz zeigen Wie bereits in Kategorie „Lehrerpersönlichkeit“ angesprochen hilft es enorm, wenn du im Klassenraum Präsenz zeigst und nicht immer an einer Stelle stehen bleibst. Mach den Kindern deutlich, dass du wirklich alle im Blick hast und alles wahrnimmst! Wenn sich ein Kind gerade zu seinem Nachbarn lehnt und ein Gespräch anfangen möchte, kannst du das bereits mit einem Blick verhindern. Wenn ein Kind nur ein wenig laut ist oder nicht aufpasst, kannst du dich auf dieses Kind zubewegen. Schon diese Handlungen können weitere Störungen unterbinden und die Kinder wissen, dass du aufmerksam bist und es sich vielleicht gar nicht lohnt, sich jetzt mit etwas Anderem zu beschäftigen.
Bei Störungen sofort und konsequent intervenieren Das Motto „Wehret den Anfängen“ eignet sich ganz gut, um den Umgang mit Unterrichtsstörungen zu beschreiben. Wenn du auf kleine Störungen bereits konsequent reagiert, entstehen größere Unruhen erst gar nicht. Aber: interveniere niederschwellig! Z.B. wenn ein Kind mit einem Gegenstand im Unterricht spielt, musst du nicht sofort den Unterrichtsfluss unterbrechen und laut sagen „Ich möchte nicht, das du mit xy spielst“. Besser du sprichst einfach weiter, gehst aber währenddessen zu dem Kind hin und bedeutest ihm, den Gegenstand wegzupacken. Das schont übrigens auch die Stimme :).
Kognitive Aktivierung Um Unterrichtsstörungen vorzubeugen, solltest du möglichst alle Kinder in deinen Unterricht mit einbeziehen und sie kognitiv aktivieren. Das erreichst du durch Methoden, bei denen alle Schüler*innen aktiv sein müssen. Die Think-Pair-Share-Methode (zunächst alleine überlegen, dann mit dem Partner und zum Schluss mit dem Plenum austauschen) ist ein Beispiel dafür.
Kleinschrittiger Unterricht Um alle Schüler*innen anzusprechen und abzuholen, solltest du deinen Unterricht möglichst kleinschrittig planen und halten. Aufgaben und neue Themen werden also langsam, Schritt-für-Schritt erklärt, sodass alle Schüler*innen die Chance haben, deinem Unterricht zu folgen. Bei manchen Stunden bietet es sich beispielsweise an, die Erklärung durch passende Symbole oder Bilder anschaulich zu unterstützen, was gerade für schwächere Kinder wichtig sein kann. So vermeidest du Unterrichtsstörungen aufgrund von Überforderung der Kinder. Gehe auch bei jedem neuen Thema davon aus, dass die Kinder keinerlei Vorwissen haben und plane demnach deinen Unterricht.
Verantwortung übertragen Vielleicht ist dir schon einmal aufgefallen, dass das Übertragen von Verantwortung auf die Kinder und damit die aktive Beteiligung der Kinder am Unterricht manchmal Wunder wirkt. Die Kinder fühlen sich dann „mitverantwortlich“ für das Gelingen der Stunde und die Störungen reduzieren sich. Für das Einbinden der Kinder gibt es viele Beispiele, z.B. durch Helfersysteme, Lerntagebücher oder mithilfe von Klassendiensten. Aber auch in den Unterrichtsablauf kannst du den Kindern Verantwortung übertragen. Überlege hier einfach bei der Stundenplanung, was sinnvoll erscheint.